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Die Arbeitswelt wird flexibler und die Anforderungen an den Einzelnen, aber auch die Führungskräfte und Firmenchefs steigen in vielerlei Hinsicht. Wie unter dem Aspekt von Sicherheit und Gesundheit damit umgegangen werden kann und welche neuen Konzepte erforderlich sind, wurde kürzlich am Forum Prävention in Wien diskutiert.

 

Rund 1.300 Sicherheitsfachkräfte, Arbeitsmediziner, Arbeitspsychologen und Behördenvertreter aus ganz Österreich kamen Mitte Mai in die Wiener Hofburg zum diesjährigen „Forum Prävention“. Die wohl bedeutendste österreichische Fachveranstaltung auf diesem Gebiet ist traditioneller Treffpunkt für all jene, die sich im Alltag den Themen Sicherheit und Unfallverhütung in den heimischen Betrieben verschrieben haben. Diese Themen standen aber nicht nur im Mittelpunkt der Vorträge und Workshops sowie zahlreicher Pausengespräche, sondern waren auch im Fokus der 72 Aussteller, die auf 700 m2 passende Produkte für mehr Sicherheit präsentierten.

Neue Herausforderungen

Einen Schwerpunkt der diesjährigen AUVA-Veranstaltung bildete das Thema Arbeiten in einer digitalen Welt. Erstmals hat daher auch Roboter „Pepper“ die Eröffnung mitgestaltet. Dass die Interaktion zwischen Mensch und Maschine immer intensiver wird und mehr Arbeits- und Lebensbereiche betrifft, ist evident. „Digitalisierung bedeutet, dass wir uns auf neue Herausforderungen einstellen und neue Konzepte für die gesamte Arbeitsumwelt entwickeln müssen. Auch für die Sicherheit am Arbeitsplatz ergeben sich neue Schwerpunktthemen wie beispielsweise die Verknüpfung von Datensicherheit und Arbeitssicherheit“, bringt es DI Georg Effenberger, Leiter der Abteilung für Unfallverhütung und Berufskrankheitenbekämpfung sowie fachlicher Leiter des Forums Prävention, auf den Punkt. Durch die Digitalisierung werden neue Gefahrenquellen entstehen, diese müssen wir identifizieren und darauf reagieren. „Das stellt auch die Präventionsarbeit vor neue Herausforderungen. In den kommenden Jahren werden wir unsere Präventionsbemühungen daher intensivieren, um den erfolgreich eingeschlagenen Weg der Reduktion der Arbeitsunfälle weiter fortzusetzen“, sagt AUVA-Obmann DDr. Anton Ofner zum Start des diesjährigen Forums.
Ein weiterer Fokus der Fachveranstaltung lag auf dem Thema „Diversity in der Arbeitswelt“. Auch in Klein- und Mittelunternehmen ist die Arbeitswelt vielseitiger und bunter geworden. „Neben Unterschieden in Alter, Bildung, Geschlecht, physischen und psychischen Voraussetzungen erlangen auch Unterschiede in Sprache, Kultur sowie ethische und religiöse Werte zunehmende Bedeutung im Arbeitsalltag und Miteinander. Für Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit bringt dies neue Herausforderungen mit sich und erfordert ebenfalls neue Denkansätze“, sagt Dr. Helmut Köberl, Generaldirektor der AUVA.
Am vierten Tag der Veranstaltung boten Experten umfangreiche Informationen zum Thema Übermüdung kombiniert mit Verkehrs- und Wegunfällen. Wer regelmäßig zu wenig schläft, fühlt sich nicht nur erschöpft und müde, sondern ist auch einem erhöhten Unfallrisiko ausgesetzt, denn Schlafmangel führt rasch zu Konzentrationsschwäche und motorischen Defiziten. Die Unfallrisiken steigen.

Mit den Risiken umgehen lernen

Tradition hat nicht nur das Forum selbst, sondern auch die jeweiligen Key-Note Speaker bei der Eröffnung, die aufgrund ihres persönlichen Zuganges zum Thema „Prävention“ immer wieder zu einem spannenden Perspektivenwechsel einladen. Heuer stand der Mathematiker und Betriebswissenschaftler Prof. Dr. Gunter Dueck auf der Bühne. Er schreibt nicht nur satirisch-philosophische Bücher über das Leben, die Menschen und Manager, sondern schaffte es auch in seinem pointierten Vortrag, mit diesem Wissen zum Nach- und vielleicht auch zum Umdenken anzuregen. „Ich habe meine erste E-Mail 1987 erhalten, wir waren damals in unserem IBM-Forschungszentrum bestimmt auch ein Sicherheitsrisiko“, erinnert sich Dueck, der auf die aktuelle Situation der Computerviren auf mehr als 200.000 Computern in über 150 Ländern anspielt. Zugleich zeigt er aber auch auf, dass die Regeln für den Umgang mit neuen Technologien immer hinter den Anwendern – und leider auch hinter denen, die betrügerische Schlupflöcher identifizieren – hinterherhinken. Gleiches gilt für die Gefahren und Risiken, die von Technologien ausgehen, deren Auswirkungen heute noch kaum überschaubar oder einschätzbar sind. Wie Menschen dennoch in der Berufswelt (über-)leben können und gleichzeitig Angst oder Scheu vor der Zusammenarbeit mit Robotern abbauen, beschreibt Dueck einfach: „Eine neue Form der Intelligenz ist gefragt. Sie heißt im Wissenszeitalter ‚Professionalität‘.“

Schlau sein, reicht nicht mehr

Eine „professionelle Intelligenz“ ist nach Ansicht des Experten eine Zusammenschau aller „Einzelintelligenzen“, die wir kombinieren müssen. Dazu zählen der Verstand, die Gefühle, der Instinkt, Lust und Freude genauso wie intuitive Neugier und Sinnstiftung bei dem, was wir täglich arbeiten. Dass dieses Konzept nicht für alle Berufe und alle Mitarbeiter gleich sein kann, versteht sich von selbst. Doch für alle gilt, dass bisherige Werte wie Ordnung, Fleiß, Mitarbeit oder Betragen – wie wir sie auch aus der schulischen Notengebung kennen – nun im Berufsleben plötzlich in kreativ, neugierig, humorvoll, mitreißend oder positiv mutieren sollen. 
Der Zusammenhang zwischen diesen Anforderungen in der heutigen – und künftigen – Wissensgesellschaft und den neuen Technologien liegt für Dueck im Lernen, mit diesen Angeboten, allen voran dem Internet, professionell umzugehen. „Wissen im Kopf reicht nicht, es muss wirksam werden. Wir müssen vernetzt arbeiten, mit vielen kommunizieren, führen, begeistern, beeinflussen und vieles mehr.“ Das führt aber auch dazu, dass die Schere zwischen denen aufgeht, die reine Routinetätigkeiten abwickeln, und jenen, die professionelle Fachkräfte sind. Viele Dienstleistungsberufe wie Bankberater, Apotheker, Verwaltungsangestellte, Anwälte oder Wirtschaftsprüfer müssen sich jetzt mit der Digitalisierung auseinandersetzen, denn das reine „Verwalten“ kann immer einfacher von Maschinen übernommen werden. Routineaufgaben werden in Prozessen abgebildet und dafür werden schließlich kostengünstige Alternativen gesucht. Wirklich übrig bleiben die „schwierigen Fälle“, also höherwertige Arbeiten, die nicht so einfach an Maschinen delegiert werden könne. „Die Welt der Serviceleistungen zerfällt in einen Routineteil und einen Premium-Teil. Das gilt nicht nur für die Aufgabe, sondern auch für den Preis. Billiganbieter auf der einen Seite stehen den Premium-Anbietern auf der anderen gegenüber“, fasst Dueck diese Entwicklung zusammen.

Auf dem Weg zur Exzellenz

Damit geht das Massengeschäft verloren, wenn nicht ständig höherwertige Geschäftsfelder erschlossen werden. „Aufbrechen“ heißt die Devise für den Mathematiker, denn die Industrialisierung der Dienstleistungen führt unweigerlich zur Ausweitung der Niedriglohnjobs. „Früher hoch anerkannte Berufe mutieren zu Anlernjobs“, so Dueck. Mit „Aufbrechen“ meint er auch, dass sich die Gesellschaft mehr denn je bemühen muss, Arbeit mit Herausforderungen zu schaffen. Gleichzeitig ist der Einzelne gefordert, sich zum „professionellen Menschen“ zu entwickeln. „Das Wissen im Internet steht jedem zur Verfügung. Wer surft, bevor er zur Bank oder zum Einkaufen geht, weiß oft mehr als der Mitarbeiter, dem er dort gegenübersteht – außer er ist exzellent!“, fordert der Wissenschaftler. Kunden, die surfen, wissen über Preise, Lieferbedingungen oder Produktfeatures nach ein paar Mausklicks rasch Bescheid. Das – und noch ein wenig mehr – wird dann selbstverständlich auch vom Gegenüber erwartet, das aber oft nur über die eigenen Produkte und kaum über die der Mitbewerber viel weiß. Damit rinnt den bisherigen Experten offensichtlich ihr Wissen durch die Finger, wenn sie nicht am Ball bleiben und diesen Wissensvorsprung mit einer großen Portion Erfahrung verknüpfen, sodass ein echter Mehrwert für den Kunden entsteht. Das gilt längst nicht nur für Vertriebsmitarbeiter, sondern spielt etwa auch bei Ärzten oder gar Pfarrern eine Rolle – wer nur über sein eigenes Fachgebiet etwas weiß, ist längst nicht exzellent, also tun selbst katholische Priester gut daran, auch über Buddha oder den Islam Bescheid zu wissen, um potenzielle Gläubige zu überzeugen. Natürlich will der Kunde dann die Premium-Leistung zu Commodity-Preisen – wer hat noch nicht eine Designerküche im Küchenstudio planen lassen und dann doch beim Billigmöbel-Anbieter die Teile gekauft oder die besten Reisetipps vom lokalen Reisebüro erfragt und dann den Urlaub im Internet bestellt?

Der stetige Wandel

Die Industrialisierung der Dienstleistung führt in Unternehmen dazu, dass nahezu ein Drittel der Zeit für diesen „Umbau“ aufgewendet wird. „Es ist die Aufgabe von Professionals, neue Leistungen zu entwickeln, zu planen und einzuführen. Sie dehnen das Unternehmen aus und bereiten es auf die Arbeitswelt und den Markt von morgen vor. Gleichzeitig muss aber das aktuelle Business auch am Laufen bleiben. Daher sind sie auch dafür verantwortlich, die Mitarbeiter zu schulen und auf die Veränderungen und Neuerungen vorzubereiten. Die Dienstleistungsexzellenz verschiebt sich von der Arbeit im System zur Arbeit am System und die ‚Metaarbeit‘ nimmt gegenüber der ‚Alltagsarbeit‘ an Wichtigkeit zu“, beschreibt Dueck die Entwicklung. Wer aber Arbeiten und Umbauen gleichzeitig muss, der befindet sich in einem dauerhaften Stresszustand. Wer neue Systeme konzipiert, während alte laufen müssen, provoziert Konflikte. Mangelnde Kommunikation, unklare Rollen, fehlende Skills im Managen derart komplexer Situationen überfordern Menschen im Berufsleben zusehends und erzeugen Stress. Die vernetzte und hoch verdichtete Arbeit bei widersprüchlichen Zielen verlangt immer wieder die Konzentration auf das Wesentliche und viel Energie, um am Ball zu bleiben. Das verlangt natürlich auch eine gute körperliche und seelische Konstitution, damit der vernetzte Charakter der Arbeit nicht als überlastend und überfordernd betrachtet wird. So wie Unternehmen zwischen Stetigkeit und Wandel hin und her gerissen werden, so geht es auch dem einzelnen Mitarbeiter. Der „echte“ Professional sorgt dann auch dafür, dass er selbst dabei nicht auf der Strecke bleibt und von den Anforderungen zerrissen wird. „Professionell ist, wenn trotzdem alles klappt“, so der Wissenschaftler.

Professionelle Intelligenz ...

... ist das Talent, Exzellenz zu erzeugen und etwas zum Gelingen zu bringen, und verfügt über einen Großteil der folgenden Fähigkeiten:

  • Soziale Kompetenz: Verstehen, Em­­­­­­pathie, Teamfähigkeit, Kommunikationsfähigkeit, Kooperationsfähigkeit, Konfliktlösungsfähigkeit, „gutes Benehmen“
  • Fachliche Kompetenz: „sein“ Handwerk verstehen
  • Führungskompetenz und Durchsetzungskompetenz: entscheiden, verhandeln, überzeugen, motivieren, Kritik üben, delegieren, Zeit managen, Konflikte bewältigen, ordnen, präsentieren, anleiten, coachen
  • Methodenkompetenz: Informationen beschaffen, Probleme lösen und an Unbekanntes herangehen, strukturierte Lösungstechniken kennen
  • Selbstkompetenz: Energie, Belastbarkeit, Kreativität, Stabilität, Gewissenhaftigkeit, Mut, Flexibilität, ...
  • Interkulturelle Kompetenz: Wissen um andere Kulturen, Sensibilität, Takt, ...
  • Interdisziplinäre Kompetenz: vernetztes Denken
  • Lernkompetenz: lebenslanges Lernen
  • Analytische Kompetenz: Was ist wichtig?
  • Konzeptionelle Kompetenz: Konzepte und Strategien entwickeln und anderen vermitteln
  • Kreative Kompetenz und Innovationskompetenz
  • Aktive Prozesskompetenz: planen, steuern, verändern
  • Passive Prozesskompetenz: wissen, „wie alles tickt“
  • Sprachkompetenz
  • Kompetenz der Körpersprache
  • Mathematische Kompetenz: Sachverhalte in Zahlen kommunizieren können
  • Internetkompetenz
  • Verkaufskompetenz: Beziehungen herstellen, Wünsche und Motive der Kunden verstehen, Sympathie erzeugen, Vertrauen schaffen, ...

 

Quelle: G. Dueck, Professionelle Intelligenz: Worauf es morgen ankommt, Eichborn Verlag 2013